Karstadt Hermannplatz – Chronologie

2016: Der Konzern kauft die Immobilie Karstadt am Hermannplatz vom Fonds “Meyer Bergmans European Retail Partners II”, vgl. Artikel auf Wikipedia
 

2018: "Galeria Karstadt Kaufhof" entsteht aus der Fusion der beiden letzten deutschen Warenhauskonzerne Karstadt und Galeria Kaufhof
 

2019

März: SIGNA stellt in den Bezirken Friedrichshain-Kreuzberg und Neukölln seine Abriss- und Neubaupläne für den Hermannplatz vor und startet die fingierte Bürger*innenbeteiligung unter der Überschrift „Dialog Hermannplatz“.

Mai: Ausführliche fachliche Einschätzung der Abriss- und Neubau-Pläne von SIGNA durch das Bezirksamt Neukölln, vgl. Artikel in Morgenpost

August: Auch das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg gibt eine fachliche Einschätzung, in der Abriss und Neubau abgelehnt werden.
 

2020

April: Ein erstes Schutzschirmverfahren des Konzerns „Galeria Karstadt Kaufhof“ wird eingeleitet. Das Insolvenzverfahren dauert bis Ende September 2020: Rund 40 Filialen werden geschlossen, rund 4.000 Stellen abgebaut und mehr als zwei Milliarden Euro Schulden gestrichen, um dem Unternehmen einen Neuanfang zu ermöglichen.

Juni: Timo Lange von „Lobby-Control“ kritisiert die massive Lobbyarbeit der SIGNA, vgl. Artikel in Berliner Zeitung

Juni: Das Stadtentwicklungsamt Neukölln bekräftigt sein Nein zu den SIGNA-Plänen.

Juni: Nach massiver Kritik an den Abriss- und Neubauplänen von SIGNA wird die Website „Dialog Hermannplatz“, die bisher eine Bürger*innenbeteiligung vorgespielt hatte, abgestellt. Seitdem läuft die Kampagne „Nicht ohne euch“.

August: Bürgermeister Müller sowie die Senator*innen Lederer und Pop unterschreiben für Berlin den Letter of Intent mit SIGNA: Darin sagen sie dem Immobilienkonzern Unterstützung für sein Bauvorhaben am Hermannplatz zu, sowie auch dessen Pläne am Alex und Kurfürstendamm. Dafür will SIGNA vier Berliner Galeria Karstadt Kaufhof-Filialen für drei bis zehn Jahre erhalten (Tempelhofer Damm, Müllerstraße, Wilmersdorfer Straße, Ring-Center). Es wird ein sogenanntes Masterplanverfahren zur Beteiligung der Bürger*innen festgeschrieben.

September: SIGNA teilt mit, es gebe eine Absichtserklärung mit der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft degewo für die Schaffung von 3.000 - 5.000 m² bezahlbaren Wohnraum. Vgl. pdf auf Plattform Nicht ohne Euch. In einer Schriftlichen Anfrage dazu von Katrin Schmidberger & Susanna Kahlefeld vom 09.09.2020 verweist der Senat lediglich auf noch laufende Abstimmungen. Auch am 03.02.2022 kann weder die Senatsverwaltung genauere Angaben machen (Vgl. Schriftliche Anfrage von Katrin Schmidberger & Julian Schwarze), noch gibt es ein öffentliches Update vonseiten SIGNAs.

September: Stadtentwicklungsausschuss Friedrichshain-Kreuzberg (02.09.20): Florian Schmidt sieht im Letter of Intent einen Verstoß gegen das sogenannte Kopplungsverbot, d.h. das Gewähren von Baurecht als Gegenleistung für andere Zusagen. Er äußert zudem grundsätzliche Kritik an den geplanten Veränderungen am Hermannplatz. Er fordert mit Hinweis auf die Bedeutung und Größenordnung des Projekts ein ergebnisoffenes Masterplanverfahren, bei dem nicht die Pläne eines Investors, sondern eine unabhängige fachliche Grundlagenanalyse an erster Stelle stehen müssen. Auch die Debatte über die architektonische Form dürfe nicht durch Vorfestlegungen des Investors gelenkt werden. Angebote von Florian Schmidt an die SIGNA für ein ergebnisoffenes Verfahren werden nicht angenommen.

Die Grünen Ausschussmitglieder fordern die Einhaltung der Berliner Leitlinien für Bürger*innenbeteiligung, nach denen für Projekte gesamtstädtischer Bedeutung ein zweistufiges Verfahren vorgesehen ist, mit klarer Festschreibung des Rahmens, innerhalb dessen Bürger*innen mitentscheiden dürfen. Der im Letter of Intent anvisierte und typischerweise auf schnelle und gezielte Umsetzung von Investor*innenwünschen ausgelegte “vorhabenbezogene Bebauungsplan” ist damit nicht vereinbar.

September: Anhörung der SIGNA im Ausschuss für Stadtentwicklung und Wohnen des Abgeordnetenhauses Berlin. Grüne Abgeordnete kritisieren den riesigen Abriss als „ökologische Sünde“, sie kritisieren die Überdimensionierung des Neubaus und das Vorgaukeln von Bürger*innenbeteiligung. Siehe Protokoll der Anhörung

Dezember: SPD und CDU beschließen gegen Grüne und Linke in der BVV Neukölln, dass der Senat die Zuständigkeit für die Bauvorhaben von SIGNA an sich ziehen solle.

 

2021

Januar: Der staatliche Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) unterstützt die 100-prozentige Tochter des SIGNA-Konzerns - dessen Immobilienvermögen sich seit 2014 fast vervierfacht hat - mit einem Nachtragsdarlehen über 460 Mio. €(vgl. Spiegel Nr. 6/5.2.2022).

Mai: SIGNA zieht seine Abrisspläne zurück und kündigt an, das Gebäude nur zurückbauen und durch einen Aufbau in Holzbauweise erweitern zu wollen. Diese unverbindliche Modifikation bewerten wir als Greenwashing: Nach wie vor würde der Großteil eines komplett funktionalen Gebäudes klimaschädlich abgerissen, zudem Holz als derzeit begrenzte und teure Ressource verschwendet. Berlins Bürgermeisterin Giffey (SPD), Neuköllns Bürgermeister Hikel (SPD), die Berliner Abgeordnete Böcker-Giannini (SPD) sind anlässlich der Präsentation dieser neuen Pläne zu Gast bei SIGNA. Franziska Giffey zeigt sich begeistert von den Plänen und veröffentlicht in ihrem Facebook-Account wörtlich die Pressemitteilung von SIGNA (14.05.2021).

Juni: Der Antrag zum Bebauungsplan wird beim Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg eingereicht.

September: Stadtentwicklungssenator Sebastian Scheel (LINKE) entzieht dem Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg die Zuständigkeit und hebt damit das B-Plan-Verfahren auf Senatsebene. Seine Begründung: Der Senat habe den Bezirk aufgefordert, den Aufstellungsbeschluss für einen vorhabenbezogenen B-Plan zu erlassen. Der zuständige grüne Stadtrat Florian Schmidt habe dies jedoch abgelehnt.

November: Die Grundlagenermittlung – vorgeblich - zur Vorbereitung des im Letter of Intent vereinbarten Masterplanverfahrens beginnt. (Ein Masterplanverfahren für das Gebäude wird dann im März 2022 vom Senator Geisel (SPD) fallengelassen.)

 

2022

Januar: Das 100-Tage-Programm verspricht, die Grundlagenermittlung abzuschließen “als erste[n] Teil eines Masterplanverfahrens, welches unter umfangreicher Beteiligung der Stadtgesellschaft fortgeführt wird”.

Januar: Erst durch eine Schriftliche Anfrage aus unserer Grünen Fraktion im AGH (Julian Schwarze, 28.01.2022) veröffentlicht Signa endlich detaillierte Zahlen zu den geplanten Nutzungsflächen. Ähnlich wie auch in anderen Städten zeigt sich, dass die anvisierte Erweiterung (auf 107.612 m²- Brutto-Geschoss-Fläche = BGF) deutlich größer ist als bisher so vage angekündigt. Für eine gemeinwohlorientierte Nutzung stehen lediglich 4% der Fläche zur Verfügung, ein Fokus liegt auf Büroflächen (ca. 45.000 m² BGF). Offenkundig wird im Rahmen der Anfrage auch, dass der Senat bisher nicht geprüft hat, welche Auswirkungen das Bauvorhaben auf den U-Bahnverkehr (U7/U8) haben wird.

Februar: „Galeria Karstadt Kaufhof“ erhält in Form einer stillen Einlage aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) der Bundesregierung erneut Staatshilfe, dieses Mal 250 Mio. €.

März: Senator Geisel legt im Ausschuss für Stadtentwicklung einen Zeitplan vor, aus dem hervorgeht, dass es keinen Masterplan zur Gebäudegestaltung geben wird. Vor der Ausschuss-Sitzung nehmen Grüne und Linke die 6.000 Unterschriften von Bürger:innen gegen die SIGNA-Pläne am Hermannplatz entgegen. Vgl. Schriftliche Anfrage von Susanna Kahlefeld & Julian Schwarze zum Masterplanverfahren: Es soll nach Veröffentlichung der Grundlagenermittlung beginnen.

August: Trotz der Inanspruchnahme von Staatshilfe im Februar nimmt SIGNA 750 Mio. € an neuem Eigenkapital auf und kauft zusammen mit der thailändischen Central Group die Luxuswarenhauskette Selfridges und damit 18 Einzelhandels-Standorte in drei europäischen Ländern, Kaufpreis: 4,72 Milliarden €.

September: SIGNA kündigt an, noch 2023 mit einem Baubeginn am Hermannplatz zu rechnen.

Oktober/November: SIGNA beantragt zum dritten Mal innerhalb von knapp zwei Jahren Staatshilfen für „Galeria Karstadt Kaufhof“. Die Schließung von 40 der 131 Kaufhäuser sowie betriebsbedingte Kündigungen werden in Aussicht gestellt. Bei einem Jahresüberschusses der SIGNA Holding von 570 Mio. € in 2021 und der Auszahlung satter Dividenden soll nun der staatliche Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF), der der „Galeria Karstadt Kaufhof“ durch die zwei vorigen Hilfsaktionen bereits mit insgesamt 680 Mio. € unter die Arme gegriffen hat, das Unternehmen erneut anfüttern, dieses Mal mit 238 Mio. €. Dazu kommt es nicht, aber es folgt eine Einigung mit den Gläubigern und dem WSF auf ein erneutes Schutzschirmverfahren. Damit bricht SIGNA seine Versprechen aus dem Berliner Letter of Intent von 2020: “Unter der Maßgabe der langfristigen Standortsicherung ist „Galeria Karstadt Kaufhof“ bereit, 45 Millionen Euro in die vorgenannten Standorte zu investieren, um diese Warenhäuser weiter zu entwickeln, zu modernisieren und nachhaltig zu stabilisieren.” Weder wurde in Berlin bisher in die Standorte investiert noch sind die Arbeitsplätze gesichert: Den Angestellten des Karstadt in der Wilmersdorfer Straße etwa, dessen Betriebe für mindestens 10 Jahre gesichert werden sollte, ist mittlerweile gekündigt worden.

November: Der Bestechungsprozess gegen den Chef von SIGNA René Benko und acht weitere Unternehmer*innen wird in Österreich eröffnet. Es geht um Spenden für Wohltätigkeitsvereine, für die im Gegenzug Baugenehmigungen erleichtert werden sollten. Zudem hat ein hoher Beamter des Österreichischen Finanzministeriums angegeben, Benko habe ihm einen hochdotierten Job angeboten, wenn dieser zu Beilegung eines Verfahrens wegen Steuerhinterziehung beitragen würde.

Dezember: In der BVV Friedrichshain-Kreuzberg wird der Antrag „Kein SIGNA am Hermannplatz – Wirtschaftliche und verkehrspolitische Risiken ernst nehmen!“ von Grünen und Linken am 14.12.22 gegen SPD und CDU beschlossen. In der BVV Neukölln wird ein fast gleichlautender Antrag „Hermannplatz für alle! Karstadtneubau der SIGNA Gruppe und Herrn R.B. verhindern!“, eingebracht von Linken und Grünen, mit der Mehrheit aus SPD, CDU und FDP im Stadtentwicklungsausschuss abgelehnt.

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