14.05.25 –
2017 hatte die BVV Neukölln das Bezirksamt aufgefordert einen Bericht zu den aktuellen rechtsextremen Aktivitäten in Neukölln zu verfassen. Bezirksstadträtin Sarah Nagel, die neben ihrer Aufgabe als Jugendstadträtin auch Beauftragte Neuköllns für Strategien gegen gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit ist, war diesem Bedarf endlich nachgekommen und stellte im März 2025 den 60-seitigen Bericht zu rechtsextremen Aktivitäten in Neukölln vor.
Kurze Zeit später wurde er jedoch vom Bezirksamt wieder offline genommen. Die Neuköllner CDU-Fraktion stellte einen Missbilligungsantrag gegen die zuständige Stadträtin Nagel und wirft der ihr als Berichtsverantwortlicher vor, der Bericht sei methodisch mangelhaft, Inhalte zudem teils nicht zutreffend. In einer Sonder-BVV Sitzung wird diese Woche zum Thema getagt.
Als Mitglied des Untersuchungsausschusses des Berliner Abgeordnetenhauses zum Neukölln-Komplex, der sich umfassend mit den Missständen und Fehlern von Polizei, Staatsanwaltschaft und Verfassungsschutz beschäftigt, die bei den Ermittlungen der rechtsextremen Straftatenserien Neuköllns begangen wurden, möchte ich Inhalt und Herangehensweise des Berichts kurz kommentieren.
Der Bericht greift viele Punkte auf, die auch im Rahmen der Untersuchungsausschuss-Sitzungen hervorgebracht und durch die Befragungen bestärkt worden sind. Insbesondere der Ansatz, den vielen Engagierten des Bezirks, den Betroffenen und Initiativen gegen Rechts hier explizit Raum und eine Stimme zu geben empfinde ich als wichtig und richtig. In der Arbeit des Ausschusses hat sich nicht nur im Rahmen der Zeugenaussagen von Zivilgesellschaftlichen Organisationen und Betroffenen selbst, sondern auch durch Aussagen von Polizist*innen und der Staatsanwaltschaft gezeigt, dass der Perspektive der Betroffenen und der Kommunikation mit Ihnen ein viel zu niedriger Stellenwert beigemessen wurde, Hinweise nicht ernst genug genommen wurden und die Zusammenarbeit von Behörden mit ihnen und zivilgesellschaftlichen Initiativen stark verbesserungsfähig ist.
Der Bericht des Neuköllner Bezirksamtes bezieht Stimmen aus der engagierten Zivilgesellschaft und Anlaufstellen gegen Rechts aktiv mit ein, zählt nicht nur polizeilich gemeldete Taten sondern auch die bei den zivilgesellschaftlichen Meldestellen verzeichneten Taten mit auf. Er setzt somit das um, was die Zivilgesellschaft schon lange fordert und was auch im Rahmen unser Untersuchungsausschussarbeit ein Ergebnis ist: Informationen aus Behörden müssen mit denen der Zivilgesellschaft zusammengebracht werden um daraus ein umfassendes Bild der Lage und rechtsextremer Strukturen zu ermitteln. Dass das Bündnis Neukölln dabei im Bezirk eine wichtige Arbeit leistet, viele Akteure gegen Rechtsextremismus und für Demokratie in Neukölln vereint und vernetzt, und daher auch in einem Bericht zum Thema Platz haben sollte, ist meiner Meinung nach für jeden der sich im Bezirk mit dem Thema beschäftigt klar ersichtlich.
Der Bericht zeigt auf, dass das Bezirksamt sich der rechten Strukturen und der dadurch entstehenden Bedrohung durch Rechtsextreme im Bezirk bewusst ist. Er erkennt an, dass die Bekämpfung von Rechtsextremismus und die gleichzeitige Stärkung demokratischer Grundwerte Themenfelder sind, die in Behörden sowie allen Abteilungen des Bezirksamtes behandelt werden müssen, und gleichzeitig nur in ständigem Austausch, Unterstützung und Kommunikation auf Augenhöhe mit den vielfältigen Engagierten der Zivilgesellschaft funktionieren kann.
Dass der Bericht die AFD als „in Teilen rechtsextrem“ beschreibt, und „teilweise rassistische Äußerungen und Positionen von Mitgliedern der Partei“ benennt, wird spätestens durch die Anfang Mai durch das Bundesamt für Verfassungsschutz vorgenommene Einstufung der Partei als „gesichert rechtsextremistisch“ bestätigt. Auch im parlamentarischen Untersuchungsausschuss zum Neukölln-Komplex wurden immer wieder Verquickungen zwischen Mitgliedern oder ehemaligen Mitgliedern der AFD mit der rechtsextremen Szene Neukölln thematisiert, auch einer der beiden 2024 für rechtsextreme Straftaten verurteilten Neuköllner Tilo P. war früher bei der AFD Neukölln im Kreisvorstand aktiv.
In wieweit der Abstimmungsprozess vor der Veröffentlichung des Berichts im Bezirksamt den dafür vorgesehenen Weg genommen hat, entzieht sich meiner Kenntnis, inhaltlich kann ich den Ansatz des Berichts nur begrüßen, da er nicht nur Polizeistatistiken aufgreift sondern auch Betroffene und Zivilgesellschaft zu Wort kommen lässt, sich klar gegen Rechtsextremismus positioniert und vorhandene Strukturen benennt.
Der Kampf gegen Rechtsextremismus sollte gerade in den heutigen Zeiten klar auf der Agenda von allen demokratischen Parteien stehen. Anstatt die Arbeit der Stadträtin Nagel durch einen Missbilligungsantrag zu diskreditieren, sollte das Ziel sein, mögliche Unklarheiten zu klären und den Bericht desweiteren so schnell wie möglich wieder der Öffentlichkeit zugänglich zu machen um aufzuzeigen, dass sich alle demokratischen Parteien Neuköllns klar gegen Rechtsextremismus positionieren, die Arbeit gegen Rechts wertschätzen und die Stimmen der Zivilgesellschaft hören und ernst nehmen.
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In Plenum des Berliner Abgeordnetenhauses habe ich mich heute dafür ausgesprochen, die #Schuldenbremse in der jetzigen Form abzuschaffen. Denn sie bremst vor allem eines: notwendige Investitionen in eine funktionierende Stadt und einen gesunden Planeten.https://t.co/KtvIyldD8F
— André Schulze (@andreschulze_nk) October 5, 2023