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09.09.23 –
Am 7. September 2023 läutete die erste Plenarsitzung nach der Parlamentarischen Sommerpause die Haushaltsberatungen für den Doppelhaushalt 2024/2025 offiziell ein.
Dabei stand die erste Lesung des Haushaltsentwurfs bis zur letzten Sekunde auf der Kippe. Denn die Verfassung von Berlin, Art. 86 (3), schreibt vor, die Finanzplanung spätestens mit dem Entwurf des Haushaltsgesetzes vorzulegen.
Jedoch haben CDU und SPD es nicht geschafft, sich über die mittelfristige Finanzplanung zu einigen. So erschien Finanzsenator Evers mit leeren Händen im Abgeordnetenhaus (die taz hat darüber berichtet).
In meiner Plenarrede habe ich kritisiert, dass der Senat einen Risikohaushalt vorgelegt hat. Denn CDU und SPD planen, alle Rücklagen in Höhe von 4,5 Milliarden Euro aufzubrauchen. Damit fehlt dem Land Berlin zukünftig Geld, dass für Investitionen in den Schulbau, für Baukostensteigerungen oder zum Abfangen krisenbedingter Effekte vorgesehen war (auch die Süddeutsche Zeitung hat berichtet). Zudem ist das ein Haushalt der leeren Versprechungen und der ungedeckten Schecks. Denn er beinhaltet sehr hohe Sparvorgaben von 1,5 Milliarden Euro pro Jahr. Diese sind in dieser Höhe nicht nur verfassungsrechtlich problematisch sondern auch intransparent: denn selbst nachdem der Haushalts beschlossen wird, wissen die Bürger*innen, die Träger der sozialen Infrastruktur und die Beschäftigten des Landes nicht, wo gespart wird, welche Projekte und Maßnahmen nicht (weiter-)finanziert werden. Im aktuellen Spreepolitik-Podcast des rbb, werden die Probleme des Haushaltsentwurfs und rechtliche Hintergründe kurzweilig und gut verständlich erklärt.
Meine Plenarrede:
Sehr geehrter Herr Präsident!
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen!
Für uns Haushaltspolitikerinnen und -politiker beginnt nun wieder die schönste Zeit des Jahres.
[Heiterkeit]
In den kommenden Monaten werden wir in den Fachausschüssen und im Hauptausschuss darüber diskutieren, wo Schulen saniert, Wohnungen gebaut und Verwaltungen digitalisiert werden.
Die Vorfreude wird aber etwas getrübt davon, dass der Finanzsenator seine Hausaufgaben nicht gemacht und seine verfassungsgemäße Pflicht zur Vorlage einer fünfjährigen Finanzplanung missachtet hat.
[Zuruf von Heiko Melzer (CDU)]
Und was Herr Evers meint, wenn er von einem „verfahrenstechnischen Problem“ als Grund für die Verschiebung spricht, kann man auch so übersetzen: Es gibt Streiti n der Koalition, und zwar nicht zu knapp.
[Heiko Melzer (CDU): Nicht von sich auf andere schließen!]
Denn man wird sich nicht einig, wie man das Geld in den kommenden Jahren ausgeben und die erheblichen offenen Fragen zu den Planungen des Senats und den finanziellen Risiken beantworten will.
Daher ist es klug, dass das Parlament seine Beratungen in zwei Wochen fortsetzt und diesen Haushalt erneut vor dem Hintergrund der finanziellen Zukunft Berlins in Form der Finanzplanung diskutiert, wie von der Verfassung vorgesehen.
[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]
Aber beginnen wir von vorn. Erste Analysen und Kommentare zum Haushaltsentwurf lobten die Aufwüchse für wichtige Vorhaben und Themen, und der Senat feierte sich.
Doch bei genauerem Hinsehen zeigte sich schnell, dass dieser Haushalt vor allem eins ist: Ein Haushalt der leeren Versprechungen und der ungedeckten Schecks,
[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]
denn über den vermeintlichen Aufwüchsen schwebt eine strikte Sparvorgabe. Das ist schlicht unehrlich. Über 1,5 Milliarden Euro pro Jahr, mehr als 5 Prozent der geplanten Ausgaben der Hauptverwaltung,
sind überhaupt nicht ausfinanziert und müssen eingespart werden. Bei diesem Umfang muss man schlichtweg konstatieren: Der Senat drückt sich davor, die politische Verantwortung für anstehende Entscheidungen zu übernehmen,
denn er nutzt diese pauschalen Sparvorgaben ganz bewusst, um den Umfang der tatsächlichen Kürzungen im Haushalt zu verschleiern, und schafft damit Haushaltsunwahrheit statt Haushaltsklarheit.
[Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Anne Helm (LINKE)]
Eine pauschale und intransparente Sparvorgabe in dieser Höhe entzieht sich auch der gebotenen parlamentarischen Kontrolle des Haushalts, denn sie verlagert wesentliche Entscheidungen auf die Exekutive,
die nur wenige Wochen nach Parlamentsbeschluss konkrete Einsparbeschlüsse fällen oder gar eine Haushaltssperre verhängen muss. Was nach trockenem Haushaltsrecht klingen mag,
wird am Ende reale Konsequenzen für diese Stadt haben, denn es bedeutet, dass sich niemand sicher sein kann, ob die auf den ersten Blick im Haushalt aufgezeigten Mittel
auch wirklich fließen werden, ob Projekte weiterhin finanziert sind.
Lieber Senat! Die Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt, die Träger der sozialen Infrastruktur und die Beschäftigten des Landes Berlin haben es verdient, beim Beschluss des Haushalts Klarheit darüber zu haben, wofür diese
Koalition Geld ausgeben möchte und wofür nicht. Stattdessen werden sie hier mit einem Haushalt aus Scheinriesen abgespeist.
[Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Anne Helm (LINKE)]
Der Koalition fehlt die Kraft, politische Prioritäten im Haushalt zu setzen. Verbunden mit einer milliardenschweren Sparvorgabe und dem Aufzehren aller Rücklagen macht das den Haushaltsentwurf gerade nicht zu einem Zukunfts-,
sondern zu einem Risikohaushalt für Berlin. Die unter Rot-Rot-Grün und Rot-Grün-Rot gebil- deten beachtlichen Rücklagen in Höhe von knapp 4,5 Milliarden Euro sollten die Investitionsfähigkeit Berlins mittelfristig sichern.
Stattdessen räumt der schwarz-rote Senat sie auf einen Schlag leer, primär zur Deckung des strukturellen Finanzierungsdefizits im Haushaltsentwurf.
Das Problem für den kommenden Doppelhaushalt 2026/2027 ist bereits vorgezeichnet. In Ermangelung einer vorliegenden Finanzplanung habe ich mal schnell nachgerechnet – selbst ist der Mathematiker! –:
Schreibt man die Ausgabe- und Einnahmelinie fort, wächst das Defizit beim Finanzierungssaldo auf jährlich über 3 Milliarden Euro an. Entscheidender Unterschied zum jetzigen Haushalt: Es sind keine Rücklagen mehr vorhanden,die zum Ausgleich des Defizits zur Verfügung stehen. Die Folge: Es drohen erhebliche Haushaltskürzungen ab 2026, um einen verfassungskonformen Haushalt aufstellen zu können, zulasten der sozialen Infrastruktur und der Investitionsfähigkeit Berlins.
[Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Sebastian Schlüsselburg (LINKE) und Steffen Zillich (LINKE)]
Und so ist dieser Haushalt vor allem eines: eine riskante Wette auf die Zukunft, auf sprudelnde Steuereinnahmen und von selbst sinkende Ausgaben; eine Wette auf die
Zukunft, deren Wetteinsatz am Ende die Berlinerinnen und Berliner bezahlen werden. So geht keine verantwortungsvolle Haushaltspolitik für diese Stadt!
[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]
Auch in diesem Haushalt steckt der Teufel im Detail, denn nicht überall kommen die notwendigen Mittel zum Ausgleich inflationsbedingter Kosten an. So wurden die Ansätze vieler Projekte von sozialen Trägern in ihrer
Höhe unverändert fortgeschrieben. Das wird bei den Projekten aufgrund von gestiegenen Kosten beispielsweise für Mieten, Lebensmittel und Energie de facto zu Angebotseinschränkungen führen.
Hier gilt es ebenso nachzubessern wie bei den gezielten Kürzungen im Bereich der Suchtprävention oder der Mittel für zusätzliche Drogenkonsumräume.
Liebe SPD-Fraktion! Die Schwangerschaftskonfliktberatung ist eine gesetzliche Pflichtleistung. Die Beratungsstellen schlugen erst Anfang des Jahres Alarm, weil sie die Versorgung von Frauen und Mädchen kaum gewährleisten können –
und da streicht der Senat ihnen 1 Million Euro? Das kann doch keine sozialdemokratische Politik sein!
[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]
Stichwort soziale Infrastruktur vor Ort – für meine Fraktion ist auch klar: Die Bezirke müssen vom Abgeordnetenhaus so ausgestattet werden, dass sie nicht gezwungen sind, Angebotskürzungen insbesondere bei der sozialen
Infrastruktur vorzunehmen.
[Beifall von Sebastian Schlüsselburg (LINKE)]
Die Haushaltssperren in mehreren Bezirken sind bereits jetzt ein Vorzeichen für die angespannte Haushaltslage im kommenden Jahr. Nur wenn die Bezirke handlungsfähig sind, ist auch die funktionierende Stadt vor Ort für die
Berlinerinnen und Berliner gewährleistet.
[Beifall bei den GRÜNEN]
Während der Senat in Sonntagsreden die Bedeutung der freien Träger im Jugend- und Bildungsbereich immer wieder betont, streicht er gleich reihenweise ganze Projekte oder kürzt sie zumindest spürbar zusammen – von
Antidiskriminierung über sexuelle und kulturelle Bildung bis zu Gewaltprävention und Demokratiearbeit. So nicht,
liebe Koalition! So geht man nicht mit den jungen Menschen in dieser Stadt um.
[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]
Auch im Verkehrsetat setzt Senatorin Schreiner den Rückwärtsgang in der Verkehrswende fort: Kürzungen bei Radverkehrsmitteln, der Verkehrssicherheit und dem Tramausbau bestätigen die schlimmsten Erwartungen an
eine CDU-geführte Verkehrsverwaltung. Und den Klimawandel bekämpfen wir sicher nicht, indem Sie beim Masterplan Wasser oder bei der Entsiegelung kürzen.
Dieser Haushaltsentwurf macht eines besonders deutlich: Die von der CDU geführten Senatsverwaltungen arbeiten fleißig am Rückschritt, am Abbau wichtiger sozialer
Projekte, an einem Tram- und Radwegestopp, führen das 29-Euro-Ticket ins Chaos. Und die SPD? – Sie ist ganz offenbar Zuschauerin; in 80 Wahlversprechen um die Welt.
In zwei Wochen werden wir dann sehen, wer sich bei der Investitionsplanung durchgesetzt hat.
Dieser Doppelhaushaltsentwurf versucht, Streit in der Koalition mit leeren Versprechungen zu übertünchen.
Nur, weil es für die Koalition ein Kraftakt war, Herr Evers, ist es noch lange kein Kraftpaket.
[Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Anne Helm (LINKE)]
Es ist eine Wette auf die Zukunft und setzt auf die falschen Projekte für diese Stadt. Dieser Haushaltsentwurf wirft mehr Fragen auf, als er Antworten auf die drängenden Zukunftsfragen unserer Stadt liefert. Wir werden in
den anstehenden Haushaltsberatungen die falschen Projekte, die klima- und demokratiegefährdenden Kürzungen
[Heiko Melzer (CDU): Haben Sie es nicht eine Nummer kleiner?]
und die haushaltspolitischen Risiken des schwarz-roten Senats deutlich herausarbeiten und konkrete Verbesserungsvorschläge machen.
Ich freue mich auf die anstehenden Beratungen im Hauptausschuss und danke den Mitarbeitenden der Senatsverwaltung für Finanzen sowie allen Beauftragten für Haushalt in den Senatsverwaltungen
und in den Bezirksämtern für die Arbeit, die bereits jetzt in den Haushalt geflossen ist und in den kommenden Monaten in die Begleitung unserer Beratungen fließen wird. – Vielen Dank!
Die aufgezeichnete Rede findet ihr hier.
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