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27.01.23 –
Vieles ist passiert bzgl. des von SIGNA geplanten Karstadt-Baus am Hermannplatz in den letzten Monaten: von einem erneuten Schutzschirmverfahrens von „Galeria-Karstadt-Kaufhof“, über erneute Bestechungsvorwürfe gegen den SIGNA -Geschäftsführer Benko, hin zu der Einschränkung einer U-Bahnlinie durch eine Baustelle, die alle weiteren Großbaustellen beeinflussen wird. Unserer Einladung zur Podiumsdiskussion „ Wie weiter mit dem Karstadt-Hermannplatz?“ in den Festsaal des Refugio Sharehouses folgten dementsprechend viele Besucher*innen.
Julian Schwarze, stadtentwicklungspolitischer Sprecher der Grünen Fraktion des Abgeordnetenhauses stellte insbesondere die Schäden die ein solch kolossaler Bau direkt über einem alten U-Bahntunnel verursachen kann dar. Nach den nun gesammelten Erfahrungen, die am Alexanderplatz gemacht wurden, bei dem sich ein U-Bahntunnel durch einen Neubau abgesenkt und zu erheblichen Verkehrsstörungen geführt hat, muss diesem Aspekt mehr Beachtung geschenkt werden. Gerade am Hermannplatz, wo U7 und U8 als zentraler Knotenpunkt des Verkehrsnetzes zusammentreffen, wäre die Beeinträchtigung des Verkehrs fatal für die Stadt. Auch die BVG hat bezüglich des geplanten Neubaus starke Bedenken angemeldet. Zwingend müsse also geklärt werden, dass SIGNA als privater Investor für alle derartigen Schäden aufkommt, und ein Konzept zur Vermeidung dieser erarbeitet werden.
Florian Schmid, Baustadtrat aus Friedrichshain-Kreuzberg, berichtet von zahllosen Diskussionsrunden mit den damals noch zuständigen Ämtern des Bezirks und auch den Architekt*innen des Gebäudeentwurfs, in denen die Vor-und Nachteile und die Auswirkungen eines solchen Baus auf den Kiez besprochen wurden. Schon damals haben sich die verantwortlichen Ämter unisono gegen den Bau ausgesprochen. Mit dem überdimensionierten Bau würden Verdrängung und Gentrifizierung noch verstärkt werden, die langsam gewachsenen Strukturen der umliegenden Gewerbe würden zerstört werden. Das Projekt stehe als Symbol für die „guten alten Zeiten“, das mit der Identität der umliegenden Kieze kaum vereinbar ist. Zudem sei der Bau in seiner derzeitigen Planung laut Expert*innen gar nicht mit den Denkmalschutz-Richtlinien vereinbar. Details dazu soll ein kürzlich vom Stadtentwicklungsamt Friedrichshain-Kreuzberg beauftragtes Gutachten zum Thema zeitnah liefern.
Auch Niloufar Tajeri, Vertreterin der Initiative Hermannplatz, sieht in dem Monumentalbau einen Ansatz, der nicht mehr zeitgemäß ist. In der Architektur stecke der Glaube an unendliches Wachstum, angebracht wäre es in heutiger Zeit aber, das Gebäude aus dem Postwachstumsgedanken heraus, aus dem Bestand heraus, zu entwickeln. SIGNAs Strategie sei leicht durchschaubar: nach einer Übernahme von Galeria, Karstadt und Kaufhof mit Immobilien in bester Innenstadtlage würden nun die Warenhäuser in Wellen geschlossen werden. Die Immobilien werden ohne Rücksicht auf bestehende Gebäude- und Gewerbestrukturen, Kieze und die Bedarfe der Anwohner*innen mit maximaler Fläche und somit maximalem Profit um- oder neu gebaut.
Susanna Kahlefeld beleuchtet bezüglich des Bauprojekts den bisher vollständig fehlenden Aspekt der Bürger*innenbeteiligung. Anfang letzten Jahres war bei einer Veranstaltung der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen für die Zivilgesellschaft ein sogenanntes Masterplanverfahren angekündigt worden, bei der Bürger*innen nach Beendigung einer Grundlagenermittlung Mitsprache erhalten würden. Die Gespräche der Grundlagenermittlung fanden mit ausgewähltem Publikum in kleinem Kreis statt, die Ergebnisse wurden erst jetzt, knapp ein Jahr zu spät, veröffentlicht. Die versprochene Beteiligung der Bürger*innen blieb bis heute aus. Obgleich in den Berliner Leitlinien für Bürger*innenbeteiligung ein umfassender Beteiligungsprozess bei solchen Projekten vorgesehen ist, sieht die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung Bauen und Wohnen bisher keine echte Beteiligungsmöglichkeit vor. Senator Geisel möchte das Projekt nach den Plänen der SIGNA einfach durchdrücken, obgleich sich die Koalitionspartner, Bezirksverwaltungen und Zivilgesellschaft von Anfang an gegen eine Umsetzung ausgesprochen haben.
Auch in der anschließenden Diskussion mit dem Publikum kamen viele weitere Aspekte zur Sprache. So berichtete Marlies Fuhrmann, dass der jetzige Bau durch ein Wettbewerbsverfahren des damaligen Senats geplant, und teilweise auch mit Senatsgeldern gebaut wurde. Muharrem Batman, der knapp 20 Jahre lang einen Elektronikladen in der Hermannstraße betrieben hat und sich dem Thema Re-use und dem Reparaturgedanken widmet, regte dazu an, alternative Konzepte für den Standort zu entwickeln. Er können sich hier zum Beispiel gut ein Gebrauchtwarenkaufhaus vorstellen, eine Idee die viel Zustimmung als dem Publikum hervorrief. Am Ende rief ich allen noch einmal anhand konkreter Zahlen die Absurdität der finanziellen Lage SIGNAs ins Gedächtnis: während der Mutterkonzern SIGNA jährlich satte Gewinnen in hoher dreistelliger Millionenhöhe erzielt, versucht Galeria Karstadt Kaufhof, ein 100% Tochterkonzern SIGNAs, seine Verluste durch Staatshilfen zu kompensieren. 680 Millionen Euro wurden dadurch schon ausgezahlt. Bei der erneuten Beantragung von Staatshilfen im Oktober 2022 wurden dem Unternehmen endlich weitere Staatshilfen verwehrt.
Nach dem Fazit aller Podiumsgäste steht fest: Stadtgesellschaft und Politik müssen sich weiterhin wehren gegen die Strategie SIGNAs und Geisels, die Bauprojekte in der ganzen Stadt betrifft, denn die Entwicklung der Stadt durch profitmaximierende Hochhäuser, die keinerlei Verbindung zum Kiez, seinen Bewohner*innen und dem umliegenden Gewerbestrukturen hat, muss endlich aufhören! Stattdessen brauchen wir eine sensible Entwicklung aus dem Bestand heraus, die bei einem ergebnisoffenen Prozess, unter Beteiligung der Bürger*innen, erarbeitet wird!